Nr. 1 / 2025

Magazin Standpunkt

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Durch bewegte Gewässer

Vorständin Marianne Weymann resümiert die sechsjährige Amtszeit von Gabriela Allemann.

Ob sie ahnte, auf was sie sich mit ihrer Bewerbung einliess? Im September 2018 suchten die (damals noch) Evangelischen Frauen Schweiz (EFS) eine neue Präsidentin.  Und Gabriela Allemann hatte nach ihrem Pfarramt in Münsingen BE Lust, sich dezidiert feministisch-politisch zu betätigen. Es passte für beide Seiten, sie wurde von der Delegiertenversammlung im Mai 2019 für eine erste Amtszeit von drei Jahren als Präsidentin des Dachverbands für Geschlechtergerechtigkeit in Kirche, Politik und Gesellschaft gewählt.

Zwei Wochen nach Amtsantritt war schon das erste Grossevent: Der Frauenstreik am 14. Juni. Da hiess es, sich ins Rampenlicht zu stellen, Thesen zu veröffentlichen und auf der Synode der Evangelischen Kirche Schweiz (EKS) das Wort zu ergreifen. Herausfordernd war zu Beginn auch das Thema Geld, das plötzlich knapp wurde, als die Beiträge des Fonds für Frauenarbeit der EKS einschneidend reduziert wurden. Auf der Vorstandsretraite 2019 stellte sich gar die Frage: «Können wir überhaupt bis 2024 überleben?»

Nun, den Verband gibt es immer noch. Und das ist auch das Verdienst von Gabriela Allemann. Wobei sie immer wieder betont, wie unerlässlich dabei die gute Zusammenarbeit und die Unterstützung durch Zentralvorstand und Geschäftsstelle gewesen sei. Genau wie ihr Talent, für Ausgleich und Verständigung zu sorgen, wie verschiedene Quellen bestätigen. Als ob die Geldsorgen nicht gereicht hätten, brach ein halbes Jahr später die Covid-Pandemie aus. Sitzungen fanden nur noch online statt, die erste Delegiertenversammlung, die sie als Präsidentin bestreiten sollte, musste abgesagt werden, ebenso die zahlreichen Besuchsvorhaben bei den Mitgliedvereinen. Gabriela Allemann staunt, wie doch vieles möglich war in dieser Zeit und wie schnell die Vertrautheit mit und auch über Online-Sitzungen möglich wurde.

Etwa zeitgleich erschütterte ein handfester Skandal die EKS: Eine Mitarbeiterin warf dem damaligen EKS-Ratspräsidenten Gottfried Locher grenzverletzendes Verhalten vor. Mit dem Einsitz bei der Frauen- und Genderkonferenz der EKS war die Präsidentin sehr nah am Geschehen. «In der Untersuchungskommission war uns vor allem der systemische Blick wichtig», sagt sie. «Wir wollten verstehen, warum diese Missstände viel zu lange ignoriert und auch toleriert wurden.»

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Geldsorgen,
Covid,
Locher

«Es war eine anspruchsvolle Zeit», räumt die Präsidentin ein, «es hat viel Energie gebraucht». Was ihr geholfen hat: «Alle haben an einem Strick gezogen. Weil wir überzeugt waren, dass es die Stimme der Frauen, braucht.»

Ein Highlight in diesen Jahren war 2021 die Feier des 50-jährigen Frauenstimmrechtsjubiläums. Auf dem Rütli waren in diesem Jahr am 1. August nur Frauen zu hören, Gabriela Allemann durfte dort ein Gespräch mit Bundesrätin Viola Amherd moderieren. Und dann die Frauensession im Bundeshaus. Dort setze sich der Verband zusammen mit dem Schweizerisch Katholischem Frauenbund SKF für ein «Stimmrecht für alle» ein, also auch für das Viertel der Schweizer Wohnbevölkerung ohne Schweizer Pass, das nicht an politischen Entscheidungen teilhaben kann – so wie bis vor einem halben Jahrhundert die Frauen.

Ein weiteres Highlight war 2022 das 75-jährige Jubiläum. «Da wurde allen bewusst: Es gibt uns schon so lange, es hat sich viel verändert in der Gesellschaft, aber unser Auftrag ist weiter aktuell». Der Wandel in den letzten Jahren und die Namensänderung zu «femmes protestantes» 2024 waren ebenfalls grosse Erfolgserlebnisse. Die Reaktionen waren laut Präsidentin «grossmehrheitlich sehr positiv. Es wird geschätzt, dass wir in Bewegung sind.» Insgesamt ist sie überzeugt, dass femmes protestantes wieder sichtbarer in Kirche und Gesellschaft geworden sind. Auch die Arbeit in Projekten wie Feministische Theologie auf sozialen Medien und die weitere Professionalisierung der Arbeit der femmes protestantes wertet sie als Erfolg.

Was die Zukunft angeht, wird laut Gabriela Allemann das Geld ein wichtiges Thema bleiben. Ausserdem befürchtet sie, dass der in den USA und europäischen Nachbarländern zu beobachtende demokratiepolitische Backlash auch in der Schweiz spürbar wird. Die Herausforderungen werden also nicht weniger. Aber gerade das mache ja auch den Reiz eines Präsidiums der femmes protestantes aus. Ihrer Nachfolgerin wünscht sie deshalb «viel Freude bei dieser wichtigen und spannenden Arbeit».

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Zu Gabriela Allemanns Herzensthemen gehören Klimaschutz, Frieden, Geschlechtergerechtigkeit und Interreligiöses Miteinander.
Danke für alles <3.